Brauchen Sie einen Rechtsanwalt bei einem Strafbefehl?
Anwalt bei einem Strafbefehl
Im Internet ein Muster für einen Einspruch gegen den Strafbefehl zu suchen und dann den Zweizeiler an das Gericht zu schicken, ist nicht gerade Raketenwissenschaft. Das kann jeder. Dafür benötigt man keinen Anwalt. Wenn es so einfach ist – warum dann das Geld für einen Anwalt ausgeben? Lohnt es sich, einen Anwalt einzuschalten, wenn man einen Strafbefehl bekommen hat? Müssen Sie einen Anwalt beauftragen? Wann ist ein Anwalt bei einem Strafbefehl sinnvoll?
Müssen Sie bei einem Strafbefehl einen Anwalt beauftragen?
Nein. Es gibt keinen Anwaltszwang im Strafbefehlsverfahren. Den Anwaltszwang kennen wir in erster Linie im Zivilverfahren. Dort werden Verfahren, in denen ein Anwalt zwingend vorgeschrieben ist, auch als Anwaltsprozess bezeichnet. Ein Beispiel ist der Prozess vor dem Landgericht: Dort müssen Sie sich im Zivilrechtsstreit gem. § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO von einem Anwalt vertreten lassen. Auch andere Verfahrensordnungen kennen das Anwaltserfordernis. Im Verwaltungsverfahren müssen Sie sich z. B. vor dem OVG von einem Anwalt vertreten lassen (§ 67 VwGO).
Im Strafrecht: Pflichtverteidigung
Im Strafverfahren gibt es die notwendige Verteidigung gem. § 140 StPO, umgangssprachlich besser bekannt als Pflichtverteidigung. 1 Unter bestimmten Voraussetzungen wird Ihnen im Strafverfahren ein Anwalt als notwendiger Verteidiger (Pflichtverteidiger) beigeordnet, und zwar auch gegen Ihren Willen. Deshalb wird die Pflichtverteidigung manchmal mit dem Anwaltszwang verglichen. Es gibt aber einen wichtigen Unterschied: Im Strafverfahren bleiben Sie postulationsfähig, auch wenn Ihnen ein Pflichtverteidiger beigeordnet wird. Das bedeutet, dass Sie als Beschuldigter weiterhin selbst Anträge stellen können. Bei einem „echten“ Anwaltszwang verlieren Sie diese Postulationsfähigkeit – Anträge müssen dann vom Anwalt gestellt werden.
Lange Rede: Im Strafbefehlsverfahren müssen Sie keinen Anwalt beauftragen. Das Gesetz erlaubt es Ihnen, sich selbst zu verteidigen. Sie können den Einspruch gegen den Strafbefehl ohne Anwalt einlegen. Sie können/dürfen sich ohne Anwalt alleine in der Hauptverhandlung verteidigen. Selbst die Akteneinsicht können Sie ohne Anwalt beantragen (§ 147 Abs. 4 StPO). Sollten Sie nach dem Einspruch gegen den Strafbefehl vom Amtsgericht verurteilt werden, können Sie sich in der Berufungsinstanz vor dem Landgericht weiterhin ohne Anwalt verteidigen. Wenn Sie mal was vom Anwaltszwang vor dem Landgericht gehört haben – das gilt nur im Zivilverfahren. Etwas komplizierter wird es erst in der Revisionsinstanz. Hier muss gem. § 345 Abs. 2 StPO die Revisionsbegründung entweder von einem Anwalt unterzeichnet sein oder die Revision muss zu Protokoll der Geschäftsstelle begründet werden. Das Gesetz „erlaubt“ es Ihnen also, sich ohne Anwalt gegen den Strafbefehl zu verteidigen. Allerdings ist nicht alles, was erlaubt ist, immer sinnvoll:
Brauchen Sie einen Anwalt bei einem Strafbefehl?
Warum einen Anwalt beauftragen, wenn man den Einspruch gegen den Strafbefehl selbst einlegen kann? Anwälte kosten Geld. Und wenn man den Einspruch hauptsächlich deshalb einlegt, weil man das Geld für die Geldstrafe sparen möchte, dann macht es wenig Sinn, einen Anwalt zu beauftragen. Oder doch? Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Wenn Sie einen Anwalt fragen, ob ein Anwalt notwendig ist, würden neun von zehn Anwälten wohl mit einem klaren „Ja“ beantworten. Anwälte verkaufen eine Dienstleistung.
Ich würde hier eher mit einem Also, das ist so… antworten. Denn im Strafbefehlsverfahren geht es nicht darum, ob der Beschuldigte die nächsten Jahre im Gefängnis verbringt. Hier geht es „nur“ um eine Geldstrafe und um einen Eintrag im Bundeszentralregister. Deshalb ist die Entscheidung, ob man einen Anwalt beauftragen sollte oder nicht, vor allem auch eine wirtschaftliche Überlegung.
Es gibt Verfahren, in denen ein Anwalt nichts bewegen kann – oder nicht genug, um seine Kosten zu rechtfertigen. Was nützt es Ihnen, wenn der Anwalt zwar eine Reduzierung der Geldstrafe von 40 auf 20 Tagessätze erreichen kann, die Anwaltsrechnung diese Ersparnis aber mehr als „auffrisst“, sodass Sie am Ende unter dem Strich mehr zahlen?
Dennoch gibt es gute Gründe, einen Anwalt hinzuzuziehen. Denn einen Anwalt beauftragen Sie nicht, damit er für Sie einen Zweizeiler an das Gericht schickt, den Sie selbst schreiben könnten. Einen Anwalt beauftragen Sie, weil Sie jemanden benötigen, der Ihnen erklären kann,
- welches Verteidigungsziel in Ihrem Verfahren realistisch erreichbar ist und
- wie dieses Ziel erreicht werden kann.
- Wenn das Ziel klar ist, dann wird Ihr Anwalt Ihnen helfen, es zu erreichen.
Indem er insbesondere den Einspruch sorgfältig begründet und Gericht und Staatsanwaltschaft überzeugt, dass die Sache mit einer Einstellung beendet werden kann. Oder auch, indem er Sie in der Hauptverhandlung verteidigt, um eine niedrigere Strafe oder einen Freispruch zu erreichen. Oder um Fahrverbote aus der Welt zu schaffen. Bei alledem geht es auch darum, das Risiko der Verschlechterung zu minimieren oder ganz zu vermeiden. Ein erfahrener Anwalt kann Ihnen sagen, was in Ihrem Verfahren erreichbar ist – oder ob es sinnvoller ist, den Strafbefehl zu akzeptieren, um weitere Risiken und Kosten zu vermeiden. Das setzt voraus, dass der Anwalt viel Erfahrung in der Strafverteidigung und in der Verteidigung gegen Strafbefehle hat. Deshalb sollten Sie einen Fachanwalt für Strafrecht beauftragen.
Vertretung in der Hauptverhandlung durch einen Anwalt
Kann man sich im Strafbefehlsverfahren in der Hauptverhandlung von einem Rechtsanwalt vertreten lassen oder muss man zur Gerichtsverhandlung erscheinen?
In einem „normalen“ Strafverfahren, also nach Erhebung einer Anklage, ist der Beschuldigte verpflichtet, als Angeklagter vor Gericht zu erscheinen. Von dieser Anwesenheitspflicht gibt es nur wenige Ausnahmen. Erscheint der Angeklagte nicht, kann er vorgeführt werden, gegen ihn kann sogar Haftbefehl ergehen. Demgegenüber weist das Strafbefehlsverfahren eine Besonderheit auf: Der Betroffene kann sich gem. § 411 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung von einem Verteidiger vertreten lassen. Es bleibt ihm damit erspart, selbst als Angeklagter vor Gericht zu erscheinen. Für viele Betroffene ist dies ein großer Vorteil des Strafbefehlsverfahrens. Der Verteidiger benötigt für die Vertretung lediglich eine schriftliche Vollmacht von seinem Mandanten.
Die Vertretung in der Hauptverhandlung durch einen Strafverteidiger ist allerdings nicht immer sinnvoll. Kommt es zum Beispiel auch auf den persönlichen Eindruck an oder ist es erforderlich, dass der Beschuldigte seine Einlassung zur Sache selbst abgibt, dann sollte er auch an der Verhandlung teilnehmen.
Wenn Sie überlegen, ob Sie gegen einen Strafbefehl Einspruch erheben, sich aber scheuen, als Angeklagter vor Gericht zu erscheinen, dann sprechen mit mir. Wir können klären, ob sich in Ihrem Verfahren entweder die Hauptverhandlung ganz vermeiden lässt oder ob ich Sie vor Gericht vertreten kann.
Brauchen Sie einen Anwalt vor Ort?
Manchmal. Häufig aber nicht. Ein Anwalt vor Ort ist hauptsächlich dann sinnvoll, wenn Ihre Sache in der Hauptverhandlung verteidigt werden muss. Wenn es darum geht, einen Freispruch zu erreichen oder darum, die Anzahl der Tagessätze zu reduzieren, dann muss in der Hauptverhandlung gestritten werden (in der Sie sich aber unter Umständen vom Anwalt vertreten lassen können). Wenn Sie in diesen Fällen z. B. einen Anwalt aus Berlin beauftragen, werden sich der Zeitaufwand und die Kosten für An- und Abreise zur Hauptverhandlung bei der Anwaltsrechnung bemerkbar machen (wenn Sie mehr dazu wissen möchten, nehmen Sie Kontakt mit mir auf – fragen kostet nichts).
In vielen Verfahren ist aber eine Hauptverhandlung erstens vom Mandanten gar nicht gewünscht und zweitens nicht unbedingt erforderlich. Das sind die Verfahren, in denen es nicht um einen Freispruch geht, sondern um eine Einstellung der Sache. Insbesondere die Einstellung gegen Geldauflage gem. § 153a StPO ist in vielen Verfahren ein Verteidigungsziel, das häufig in einem schriftlichen Verfahren – also ohne Hauptverhandlung – erreicht werden kann. Dann spielt es keine Rolle, ob der Anwalt seine Kanzlei in Berlin hat oder sonst wo. Persönliche Besprechungen mit dem Mandanten können so gut wie immer durch Telefonate und E-Mails ersetzt werden. Videotelefonate, z. B. über Skype, sind eine sinnvolle Sache und können nach meiner Erfahrung das persönliche Gespräch gut ersetzen.
Ich verteidige in Strafbefehlsverfahren häufig außerhalb Berlins – nicht nur in der Umgebung, sondern bundesweit. Probleme oder unerwartete Mehrkosten haben sich daraus nie ergeben. Wenn Sie nicht sicher sind, was in Ihrem Verfahren sinnvoll ist und ob Sie einen Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin beauftragen können, sprechen Sie mit mir. Ich erkläre Ihnen gerne die Details.
Fußnoten:
- Hier können Sie lesen, wann Sie bei einem Strafbefehl einen Pflichtverteidiger erhalten.