Was ist das Strafbefehlsverfahren?
Wie wird ein Strafbefehl erlassen?
An anderer Stelle wurde erklärt, was ein Strafbefehl genau ist. Hier soll es darum gehen, wie und warum ein Strafbefehl erlassen wird – es geht also um das Verfahren, in dem der Strafbefehl erlassen wird.
Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft
Dazu muss man wissen, dass jedes Strafverfahren mit einem Ermittlungsverfahren beginnt. Im Ermittlungsverfahren geht es darum, eine Straftat aufzuklären und Beweise zu sichern. Zuständig sind Polizei und Staatsanwaltschaft. Praktisch läuft das in den einfachen Strafverfahren so, dass die Polizei selbstständig ermittelt und am Ende, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind, die Ermittlungsakte an die Staatsanwaltschaft weiterreicht. Dort entscheidet dann der Staatsanwalt (oder der Amtsanwalt), wie das Verfahren weitergehen soll. Die Entscheidung nennt man auch Abschlussverfügung. Welche Möglichkeiten es gibt, ist natürlich gesetzlich geregelt. Die praktisch wichtigsten:
- Liegt kein hinreichender Tatverdacht vor, muss das Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt werden. So wird der Staatsanwalt z. B. entscheiden, wenn die Straftat dem Beschuldigten nicht nachgewiesen werden kann. Oder wenn gar kein Beschuldigter ermittelt werden konnte.
- Handelt es sich um eine geringfügige Tat, kann er das Verfahren wegen Geringfügigkeit einstellen gem. § 153 StPO.
- Ist die Schuld gering, kann er dem Beschuldigten anbieten, dass das Verfahren gem. § 153 a StPO gegen Auflagen und Weisungen eingestellt wird.
- Handelt es sich um einen schwerwiegenden Vorwurf (Verbrechen iSd. § 12 StGB) oder ist aus anderen Gründen eine Hauptverhandlung erforderlich, wird der Staatsanwalt Anklage erheben (§ 170 Abs. 1 StPO). Die Sache geht dann an das Strafgericht über, dort wird über die Zulassung der Anklage entschieden.
- Und schließlich kann der Staatsanwalt auch den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls stellen. Auch in diesem Fall geht das Verfahren an das Strafgericht.
Zur Anklage und zum Strafbefehl wird der Staatsanwalt greifen, wenn er überzeugt ist, dass der Beschuldigte die Straftat begangen hat – und wenn er eine Bestrafung für erforderlich hält (andernfalls kann er auch zu den Einstellungsmöglichkeiten greifen, wenn deren Voraussetzungen vorliegen). Um die Sache anzuklagen oder den Strafbefehl zu beantragen, genügt dem Staatsanwalt eine bestimmte Wahrscheinlichkeit – Strafjuristen bezeichnen diesen Grad der Wahrscheinlichkeit als hinreichenden Tatverdacht (vgl. § 170 Abs. 1 StPO). Der Staatsanwalt würdigt den Akteninhalt und die Beweise, hält er eine Verurteilung vor einem Gericht für überwiegend wahrscheinlich, wird er anklagen oder den Strafbefehl erlassen.
Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft
Den Strafbefehlsantrag wird der Staatsanwalt also immer dann wählen, wenn er
- erstens davon ausgeht, dass dem Beschuldigten die Straftat in einem gerichtlichen Verfahren nachgewiesen werden kann,
- zweitens er die Hauptverhandlung für nicht erforderlich hält und
- drittens der Erlass eines Strafbefehls zulässig ist, es sich also insbesondere um ein Vergehen handelt.
Mit dem Strafbefehlsantrag legt der Staatsanwalt dem Gericht gleich den formulierten Strafbefehl vor. Das heißt, der Staatsanwalt schlägt die konkrete Strafe vor, die er für tat- und schuldangemessen hält. Damit endet erst einmal seine Zuständigkeit – die Sache geht an das Strafgericht.
Entscheidung des Amtsgerichts nach dem Strafbefehlsantrag
Am Strafgericht entscheidet der Amtsrichter über den Erlass des Strafbefehls. Er prüft anhand der Ermittlungsakte die Sach- und Rechtslage. In den allermeisten Fällen erlässt er dann den Strafbefehl. Praktisch unterschreibt er den Vorschlag des Staatsanwalts und gibt die Sache an die Geschäftsstelle weiter, die sich um die Zustellung kümmert. Will der Richter den Strafbefehl aus welchen Gründen auch immer nicht erlassen, kann er den Antrag ablehnen (§ 408 Abs. 2 StPO). Er kann den Termin zur Hauptverhandlung bestimmen, wenn er vom Antrag des Staatsanwalts abweichen will oder er aus anderen Gründen Bedenken hat, den Strafbefehl zu erlassen (§ 408 Abs. 3 S. 2 StPO).
In der Praxis: 99 % Erlass des Strafbefehls
In der Praxis wird der Amtsrichter den Strafbefehl in aller Regel so erlassen, wie der Staatsanwalt ihn beantragt. Böse Zungen unterstellen, dass mancher Richter den Antrag unterschreibt, ohne die Akte zu prüfen. Die Ablehnung eines Antrags ist eine seltene Ausnahme. Häufiger kommt es vor, dass die Akte an die Staatsanwaltschaft zurückgeschickt wird, mit der Bitte um Nachbesserung. Manchmal sieht man in der Ermittlungsakte, dass der Richter etwa den Tagessatz hat ändern lassen, bevor er den Strafbefehl erlässt. Manchmal werden auch rechtliche Zweifel angemeldet und sogar Nachermittlungen angestellt. Aber das sind Ausnahmen. Fast immer wird der Strafbefehl letztlich so erlassen, wie er beantragt wurde. Das geschieht durch Unterzeichnung des Strafbefehls durch den Richter. Er veranlasst dann die Zustellung des Strafbefehls an den Beschuldigten über die Geschäftsstelle des Gerichts.
Was, wenn der Amtsrichter den Erlass ablehnt?
Wie gesagt, kommt es selten vor, dass der Richter den Erlass des Strafbefehls gänzlich ablehnt (§ 408 Abs. 2 StPO). Die Ablehnung kommt in Betracht, wenn der Richter den Beschuldigten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen für nicht hinreichend verdächtig hält. Ein solcher Beschluss entspricht einem Nichteröffnungsbeschluss. Die Staatsanwaltschaft kann dagegen in Beschwerde gehen (was sie in der Regel auch tut).
Richter terminiert nach Strafbefehlsantrag
Nach der Zustellung des Strafbefehls liegt der Ball beim Beschuldigten: Er muss entscheiden, ob er die Strafe und die Verurteilung so akzeptiert oder ob er Einspruch gegen den Strafbefehl einlegt. Das ist eine schwierige Entscheidung, die gut überlegt sein sollte.
Legt der Beschuldigte rechtzeitig Einspruch ein, wird der Strafbefehl so behandelt, als wäre er eine Anklageschrift, die bereits zugelassen ist. Das Strafbefehlsverfahren geht dann sozusagen ins reguläre Strafverfahren über.
Nach dem fristgerechten und auch sonst zulässigen Einspruch wird der Richter den Termin zur Hauptverhandlung bestimmen (in der Regel, aber nicht immer). Andernfalls endet das Strafbefehlsverfahren mit der Rechtskraft des Strafbefehls. Die Strafe kann dann vollstreckt werden.