Pflichtverteidiger Strafbefehl

Pflichtverteidiger bei einem Strafbefehl?

Wird bei einem Strafbefehl ein Pflichtverteidiger beigeordnet?

Wenn Sie einen Strafbefehl erhalten haben, stellt sich oft die Frage, ob Ihnen ein Pflichtverteidiger zusteht. Die Antwort lautet: Manchmal ja, meistens nein. Wie immer kommt es auf die Einzelheiten an.
Grundsätzlich müssen beim Strafbefehl zwei Konstellationen unterschieden werden:

  1. Der Strafbefehl verurteilt zu einer Freiheitsstrafe. Dann ist ein Pflichtverteidiger gem. § 407 Abs. 2 StPO, § 408b StPO zwingend erforderlich.
  2. Der Strafbefehl verurteilt „nur“ zu einer Geldstrafe. Dann wird ein Pflichtverteidiger nur in Ausnahmefällen beigeordnet.

Die meisten Strafbefehle verurteilen zu einer Geldstrafe, ganz überwiegend im Bereich zwischen 20 und 90 Tagessätzen. In diesen Fällen wird selten ein Pflichtverteidiger beigeordnet – was häufig für Irritationen sorgt, da viele die Beiordnung eines Pflichtverteidigers mit den finanziellen Verhältnissen des Beschuldigten in Verbindung bringen. Das ist allerdings ein Missverständnis.

Pflichtverteidiger, notwendiger Verteidiger & Strafbefehl

„Wenn Sie sich keinen Anwalt leisten können, wird Ihnen einer gestellt“ – diesen Satz kennt fast jeder aus amerikanischen Krimiserien.1 Doch in Deutschland funktioniert es ein wenig anders. Bei uns hat die Pflichtverteidigung nichts mit den Einkommensverhältnissen zu tun. Trotzdem gibt es im Strafverfahren natürlich Pflichtverteidiger, vom Gesetz als „notwendiger Verteidiger“ (§ 140 StPO) bezeichnet. Die „notwendige Verteidigung“ richtet sich ausschließlich nach Kriterien wie der Schwere der Tat oder der Schwierigkeit der Rechtslage. Das heißt im Klartext: Ein geringes Einkommen allein ist kein Grund für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Es kommt nicht darauf an, ob Sie sich einen Anwalt leisten können oder nicht, sondern ob einer der gesetzlichen Gründe für eine Pflichtverteidigung vorliegt. Und das ist bei einem Strafbefehl mit einer Geldstrafe eher selten der Fall.

Pflichtverteidiger ist kein Armenanwalt

Ein Pflichtverteidiger wird nicht beigeordnet, weil sich der Beschuldigte keinen Anwalt leisten kann. Es müssen die gesetzlichen Beiordnungsgründe vorliegen. Die haben nichts mit den Einkommensverhältnissen zu tun. Das Gesetz geht davon aus, dass sich der Beschuldigte bei weniger schwerwiegenden Vorwürfen selbst verteidigen kann.

Pflichtverteidiger bei einem Strafbefehl mit Freiheitsstrafe (§ 408b StPO)

Obwohl Strafbefehle überwiegend zu Geldstrafen verurteilen, ermöglicht § 407 Abs. 2 S. 2 StPO auch die Verhängung von Freiheitsstrafen. Das geschieht eher selten, kommt aber vor. Meist handelt es sich dabei um Fälle, bei denen eindeutig eine Bewährungsstrafe verhängt werden soll und eine Hauptverhandlung nicht erforderlich erscheint.

In diesen Fällen muss der Beschuldigte einen Verteidiger haben („notwendiger Verteidiger“). Das Gesetz schreibt zwingend vor, dass ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist, wenn ein Strafbefehl mit einer Freiheitsstrafe erlassen werden soll.

In der Praxis läuft das meist so ab:

  • Der Staatsanwalt stellt einen Strafbefehlsantrag, mit dem eine Freiheitsstrafe verhängt werden soll.
    Der Amtsrichter überprüft den Strafbefehlsantrag.
  • Will er den Strafbefehl erlassen, übermittelt er dem Beschuldigten einen Strafbefehlsentwurf. Gleichzeitig wird der Beschuldigte aufgefordert, einen Pflichtverteidiger zu benennen.
  • Der Beschuldigte kann dann einen Anwalt seines Vertrauens vorschlagen. Macht er keinen Vorschlag, wird das Gericht einen Pflichtverteidiger auswählen und beiordnen.
  • Erst dann wird der Strafbefehl mit der Freiheitsstrafe erlassen.

Die Pflichtverteidigerbestellung gilt in diesen Fällen nicht nur für das Strafbefehlsverfahren selbst, sondern in der Regel auch für das Verfahren, das sich an einen Einspruch anschließt. Legt der Beschuldigte (oder sein Pflichtverteidiger) Einspruch gegen den Strafbefehl ein und kommt es zur Hauptverhandlung, bleibt der Anwalt beigeordnet und steht dem Beschuldigten auch in der Hauptverhandlung zur Seite.

Pflichtverteidiger bei einem Strafbefehl mit Geldstrafe

Die meisten Strafbefehle verurteilen — wie gesagt — zu einer Geldstrafe. In diesen Fällen wird dem Beschuldigten einfach der Strafbefehl zugestellt, ohne dass vorher ein Pflichtverteidiger bestellt wird. Wenn Sie einen solchen Strafbefehl erhalten haben, fragen Sie sich jetzt vielleicht, ob Sie nicht Anspruch auf einen Pflichtverteidiger haben.

Die Antwort ist: In der Regel nicht. Bei einem Strafbefehl, der „nur“ zu einer Geldstrafe verurteilt, wird ein Pflichtverteidiger nur in Ausnahmefällen beigeordnet. Nach § 140 StPO wird dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger vor allem dann beigeordnet, wenn:

  • es um eine schwerwiegende Straftat geht,
  • dem Beschuldigten schwerwiegende Konsequenzen drohen,
  • die Sach- oder Rechtslage schwierig ist,
  • der Beschuldigte sich nicht selbst verteidigen kann.

Die beiden erstgenannten Gründe kommen bei einem Strafbefehl praktisch nicht vor.2 Denn wenn die Tat schwerwiegend ist oder dem Beschuldigten schwerwiegende Konsequenzen drohen, wird die Staatsanwaltschaft in aller Regel ohnehin Anklage erheben, statt einen Strafbefehl zu beantragen. Oder es wird der Strafbefehl mit einer Freiheitsstrafe beantragt (siehe oben).

Auch eine schwierige Sach- oder Rechtslage sollte es im Strafbefehlsverfahren eigentlich nicht geben. Ausnahmen, in denen deswegen ein Pflichtverteidiger notwendig wäre, sind aber denkbar – beispielsweise wenn es um eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation geht.

Die Unfähigkeit zur Selbstverteidigung wird von den Gerichten eng ausgelegt. Es genügt nicht, dass man sich als juristischer Laie vom Verfahren überfordert fühlt. Es geht hier eher um Erkrankungen des Beschuldigten, etwa wenn er aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht in der Lage ist, sich zu konzentrieren oder wenn er aufgrund einer Legasthenie die Akte nicht lesen kann. Das ist in der Praxis nach meiner Erfahrung auch der häufigste Grund, weshalb im Strafbefehlsverfahren ein Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers erfolgreich sein kann. Gerade psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Belastungsstörungen können dazu führen, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann. Dann empfiehlt es sich, einen Beiordnungsantrag zu stellen.

Kosten des Pflichtverteidigers bei einem Strafbefehl

Ein weitverbreiteter Irrtum ist, dass ein Pflichtverteidiger kostenlos oder ein Anwalt auf Staatskosten ist. Das stimmt nicht. Wird der Beschuldigte verurteilt oder der Strafbefehl rechtskräftig, muss er die Verfahrenskosten tragen. Zu diesen Verfahrenskosten gehören auch die Pflichtverteidigergebühren. Der Pflichtverteidiger rechnet seine Gebühren mit der Landeskasse ab. Die Landeskasse holt sich das Geld als Teil der Verfahrenskosten vom Verurteilten zurück.

Die Gebühren eines Pflichtverteidigers sind etwas niedriger als die eines Wahlverteidigers. Sie sind um 20 % reduziert.3 Trotzdem muss der Beschuldigte im Fall der Verurteilung ungefähr mit Kosten für den Pflichtverteidiger zwischen 500 und 800 € rechnen – je nachdem, ob der Strafbefehl akzeptiert oder ob Einspruch eingelegt wird und es zur Hauptverhandlung kommt. Wird an mehreren Hauptverhandlungstagen verhandelt, können die Kosten steigen. Aber das ist eher selten.

Wichtig: Diese Kosten muss der Beschuldigte nur dann tragen, wenn er nach einem Einspruch verurteilt wird oder der Strafbefehl rechtskräftig wird. Wird das Verfahren eingestellt oder der Beschuldigte freigesprochen, trägt die Staatskasse die Kosten des Pflichtverteidigers.

Was sollten Sie tun?

Wenn Sie einen Strafbefehlsentwurf erhalten haben und aufgefordert werden, einen Pflichtverteidiger zu benennen, sollten Sie umgehend einen Fachanwalt für Strafrecht suchen, der bereit ist, die Pflichtverteidigung für Sie zu übernehmen. Oder Sie beauftragen einen Wahlverteidiger. Das ist im Unterschied zum Pflichtverteidiger ein Strafverteidiger, den Sie beauftragen und auch bezahlen.

Haben Sie hingegen einen Strafbefehl mit einer Geldstrafe erhalten und meinen, dass bei Ihnen ausnahmsweise ein Fall für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers vorliegt, sollten Sie den Beiordnungsantrag nicht selbst stellen. Nehmen Sie stattdessen Kontakt mit einem Fachanwalt für Strafrecht auf. Es ist in den meisten Fällen sinnvoller, wenn der Anwalt den Beiordnungsantrag stellt und begründet.

Fußnoten:

  1. Sogenannte Miranda-Warning.
  2. In Ausnahmefällen können aber schwerwiegende Konsequenzen drohen, die sich mittelbar aus dem Strafbefehl ergeben.
  3. Im Vergleich zur Mittelgebühr nach dem RVG. Die Einzelheiten sind kompliziert. Viele Verteidiger rechnen nicht nach dem RVG ab, sodass die Kosten eines Wahlverteidigers erheblich höher sein können als die eines Pflichtverteidigers.
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