Strafbefehl ohne Anhörung

Strafbefehl ohne Anhörung – geht das?

Kann ein Strafbefehl ohne Anhörung erlassen werden? Für viele Beschuldigte kommt der Strafbefehl überraschend. Manche wurden von der Polizei zur Vernehmung geladen und haben nicht damit gerechnet, dass das nächste Schreiben der Justiz bereits der Strafbefehl sein kann. Und andere Beschuldigte haben vorher überhaupt nichts von den Ermittlungen gehört – bis dann plötzlich der Strafbefehl im Briefkasten liegt. Ist das zulässig? Oder ist ein Strafbefehl ohne Anhörung eine Verletzung des Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz)?

Recht auf Gehör im Strafverfahren

In einem Ermittlungsverfahren wird das Recht auf Gehör dadurch gewährt, dass der Beschuldigte von der Polizei zur Vernehmung geladen oder – bei einfachen Vorwürfen – aufgefordert wird, sich schriftlich zu äußern. Geht der Beschuldigte nicht zur Vernehmung oder schickt er keine Stellungnahme zurück, gehen die Strafverfolgungsbehörden davon aus, dass er von seinem Schweigerecht Gebrauch macht und auf sein Recht auf Anhörung verzichtet. Die Polizei wird in diesen Fällen nach Abschluss der Ermittlungen die Akte an die Staatsanwaltschaft übersenden, mit dem Hinweis, dass der Beschuldigte geladen wurde, er sich aber nicht eingelassen hat, also zu den Vorwürfen schweigen möchte.

Strafbefehl nach Beschuldigtenvernehmung

Für die Staatsanwaltschaft ist damit der Weg frei, die Sache nach Aktenlage zu entscheiden. Der Beschuldigte wird kein zweites Mal angeschrieben, stattdessen erlässt der Staatsanwalt die sogenannte Abschlussverfügung. Und das ist in vielen Fällen der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls. Damit geht die Sache ans Gericht, das den Strafbefehl so gut wie immer antragsgemäß erlässt.

Im Ermittlungsverfahren ist die Vernehmung des Beschuldigten die Anhörung – Danach kann der Staatsanwalt entscheiden und einen Strafbefehl bei Gericht beantragen

Häufig sind Beschuldigte über diesen Gang des Verfahrens irritiert. Im Internet wird meist geraten, nicht zur Beschuldigtenvernehmung zu erscheinen – die Ladung zu ignorieren schien deshalb die richtige Vorgehensweise zu sein. Wie kann es sein, dass plötzlich ein Strafbefehl erlassen wird?

Tatsächlich ist das Vorgehen der Strafverfolger in diesen Fällen nicht nur rechtmäßig, sondern der Normalfall. Es gibt keine Pflicht, den Beschuldigten vor Erlass des Strafbefehls ein zweites Mal anzuhören. Denn das Recht auf Gehör wurde gewährt, indem zur Beschuldigtenvernehmung geladen wurde. Das Strafbefehlsverfahren ist auf Beschleunigung ausgelegt, Sinn und Zweck ist es, die Sache zügig zu einem Abschluss zu bringen. Wer meint, mit ihm sei „kurzer Prozess“ gemacht worden, dem gibt das Gesetz das Recht, gegen den Strafbefehl Einspruch einzulegen.

Strafbefehl, aber nie zur Vernehmung geladen worden

Manchmal kommt es – aus welchen Gründen auch immer – vor, dass ein Beschuldigter gar nicht zur Vernehmung geladen wird. Dann ist der Strafbefehl das erste Schreiben, dass er in der Sache bekommt. Möglicherweise hat der Beschuldigte nicht einmal gewusst, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet war. Ein solches Vorgehen verletzt ihn in seinem Recht auf Gehör. Nützen tut ihm das allerdings nichts. Denn das ist ein Verfahrensfehler, der geheilt werden kann. Wenn er Einspruch einlegt, wird ihm das Recht auf Gehör nachträglich gewährt. Dass er vorher nicht gehört wurde, spielt dann für das weitere Verfahren keine Rolle mehr. Es macht also wenig Sinn, einen Einspruch gegen den Strafbefehl einzulegen, mit der Begründung, man sei nie zur Vernehmung geladen und auch sonst nicht angehört worden.

Anhörung durch das Gericht vor Erlass des Strafbefehls

Klar ist, dass dem Beschuldigten im Ermittlungsverfahren Recht auf Gehör eingeräumt werden muss – was in der Regel durch die Beschuldigtenvernehmung geschieht. Ebenso klar ist, dass das Gericht den Beschuldigten vor Erlass des Strafbefehls nicht mehr anhören muss. Denn das ist ausdrücklich so in der Strafprozessordnung geregelt. Dort heißt es in § 407 Abs. 3 StPO:

Der vorherigen Anhörung des Angeschuldigten durch das Gericht (§ 33 Abs. 3) bedarf es nicht.

Fazit: Falls Anhörung nicht erfolgt ist, kann sie nachgeholt werden

Normalerweise sollte im Ermittlungsverfahren angehört werden. Die dortige Vernehmung ist ausreichend, um das Recht auf Gehör zu gewähren. Spätere Möglichkeiten müssen im Strafbefehlsverfahren nicht mehr eingeräumt werden. Unterbleibt die Anhörung im Ermittlungsverfahren, kann sie im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden. Dazu muss der Beschuldigte Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen (hier finden Sie Muster für den Einspruch, genauer wird es im Ratgeber erläutert). Der Verfahrensfehler wird dadurch geheilt.

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