Sie haben einen Strafbefehl über 90 Tagessätze?
90 Tagessätze im Strafbefehl ist eine vergleichsweise hohe Geldstrafe. Als Anwalt, der häufig in Strafbefehlsverfahren verteidigt, gewinnt man den Eindruck, dass 90 Tagessätze häufiger gewählt werden als 80 oder 100 Tagessätze. Weshalb das so ist, was 90 Tagessätze bedeuten und welche Folgen ein Strafbefehl über 90 Tagessätze für Sie hat, erläutere ich hier:
Was bedeuten 90 Tagessätze?
Geldstrafen werden gem. § 40 StGB in Tagessätzen verhängt. 90 Tagessätze sollen drei Nettomonatslöhnen entsprechen. Wenn Sie also zum Beispiel 1.500 EUR im Monat netto zur Verfügung haben, dann errechnet sich daraus ein Tagessatz in Höhe von 50 EUR (1.500 geteilt durch 30). Die Gesamtstrafe errechnet sich dann aus den 90 Tagessätzen multipliziert mit einem Tagessatz (90 × 50 = 4.500). Daran zeigt sich auch, dass 90 Tagessätze eine hohe Strafe ist: Drei Monate ohne Einkommen ist wohl für die meisten eine ganz erhebliche Belastung.
Die Einzelheiten zur Berechnung der Tagessätze können Sie im Beitrag Tagessatz im Strafbefehl nachlesen. Sie sollten, wenn Sie einen Strafbefehl über 90 Tagessätze erhalten haben, auf jeden Fall Ihre Tagessatzhöhe kontrollieren (das ist der Euro-Betrag, im Beispiel also die 50 EUR). Weil das Einkommen häufig geschätzt wird, entspricht die Tagessatzhöhe manchmal nicht den tatsächlichen Einkommensverhältnissen!
Wenn Sie die Geldstrafe nicht zahlen, wird mit den Tagessätzen auch die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe angegeben: Sie müssten dann also für 90 Tage ins Gefängnis.
Strafbefehl über 90 Tagessätze: Vorbestraft?
Neben der Frage, ob sich der Einspruch gegen den Strafbefehl lohnt, ist die Frage, ob der Strafbefehl mit den 90 Tagessätzen im Führungszeugnis auftaucht, entscheidend. Das ist nicht der Fall, wenn der Strafbefehl Ihre erste Verurteilung ist. Gem. § 32 Abs. 2 Nr. 5a BZRG werden Verurteilungen:
- von nicht mehr als neunzig Tagessätzen
nicht in das Führungszeugnis aufgenommen, wenn
- im Bundeszentralregister keine weitere Strafe eingetragen ist.
Nicht mehr als 90 Tagessätze heißt: Ein Strafbefehl auf genau 90 Tagessätze landet nicht im Führungszeugnis – eine Verurteilung zu 91 Tagessätzen hingegen würde im Führungszeugnis auftauchen, auch wenn es der erste Eintrag im Register ist.
Wenn Sie also einen Strafbefehl erhalten haben, der genau auf 90 Tagessätze lautet und wenn Sie keinen weiteren Eintrag im Bundeszentralregister (BZR) haben, dann können Sie davon ausgehen, dass Ihr Führungszeugnis weiterhin „sauber“ bleibt. Die Strafe wird im BZR eingetragen, aber nicht in das Führungszeugnis aufgenommen (Ausnahmen können beim erweiterten Führungszeugnis gelten). Sie dürfen sich auch grundsätzlich als „nicht vorbestraft“ bezeichnen; das ist in § 53 BZRG geregelt. Die Einzelheiten dazu können Sie auf der Seite „Strafbefehl Vorstrafe“ nachlesen – dort finden Sie auch weitere Erläuterungen zum Bundeszentralregister und weshalb das Risiko besteht, dass der Strafbefehl später doch noch im Führungszeugnis auftaucht.
Lohnt der Einspruch bei 90 Tagessätzen?
Das kann man natürlich nicht verallgemeinern, weil es auf Ihren Fall ankommt. Grundsätzlich kann man aber in vielen Fällen davon ausgehen, dass die Staatsanwaltschaft die 90 Tagessätze gezielt beantragt hat. Wie oben erläutert, ist 90 Tagessätze die maximale Strafe, die nicht unmittelbar zu einer Vorstrafe führt. Und das ist auch genau der Grund, weshalb häufiger zu 90 Tagessätzen verurteilt wird als zu 80 oder 100: Der Beschuldigte soll so hart wie möglich bestraft werden, ohne ihn mit einer Vorstrafe zu belasten.
Bei einem Ersttäter ist 90 Tagessätze bei vielen Vergehen, die im Strafbefehlsverfahren erledigt werden, eine hohe Geldstrafe. Damit ist eine Einstellung gegen Geldauflage gem. § 153a StPO statt des Strafbefehls zwar nicht ausgeschlossen, man wird aber gute Argumente benötigen, um die Staatsanwaltschaft hier zu einer Zustimmung zu bewegen. Andere Verteidigungsziele können natürlich auch der Freispruch sein oder eine Reduzierung der Geldstrafe. Mehr dazu im kostenlosen Ratgeber zum Strafbefehl.